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Reconciliation - Wiederversöhnung

Nach meiner Ankunft in Buka Mitte Mai erfuhr ich von Alex, meinem Vorgänger in Koromira, dass die Fahrt zum Projekt aufgrund eines Vorfalls an der Schule verschoben wurde. Einen Tag später als geplant kamen wir im St. Gregory Vocational Training Center an, es lag aber nicht nur an der Dunkelheit und der dunklen Hautfarbe der Bougainvillians, dass wir keinen der 240 Schüler und 12 Lehrer erblicken konnten. Die Schule war menschenleer. Ein angetrunkener Wachmann kam eine Weile nachdem wir uns Zugang zum Volunteer-Haus verschafft haben und schickte nach Bernard, dem Headmaster. Es dauerte nicht lange und wir waren zu viert am Reden. Naja, drei redeten und ich versuchte das eine oder andere Wort zu verstehen. Aber was war nun der Grund für die verlassene Schule: Am Samstagabend vor Muttertag saß Bernhard mit den Lehrerinnen und Lehrern vor seinem Haus an der Schule und feierte bei ein paar Bierchen den bevorstehenden Feiertag. Natürlich am Samstagabend, denn Montag musste wieder unterrichtet werden. Moses, dem Verwandten einer der Lehrerinnen, gefiel dies gar nicht, auch hat er als Pioneer (einer der jungen Männer, die 1999 mit dem Aufbau der Schule begonnen hatten) eine spezielle Beziehung zum Vocational Center. Das Ganze artete ein bisschen aus, das Messer von Moses kam Bernard zu nahe und so beschloss der Headmaster mit seiner Familie die Schule auf unbestimmte Zeit zu verlassen. Er gab Anordnung, die Schüler seiner Mechanikerklasse nach Hause zu schicken, da er als Lehrer ja nicht verfügbar sein würde. Am Anfang der anschließenden Woche beschäftigte sich dann das "Board of Management" mit der Angelegenheit. Das Board of Management besteht aus dem Pfarrer, einer Vertretung aus dem COE (Council of Elders, dem Ältestenrat), Bernard und einigen Anderen aus der Gemeinde. Diese Gruppierung hat die eigentliche Macht über die Schule. Es kam zu ein paar Missverständnissen und alle Schüler wurden suspendiert. Vierzehn Tage nach dem Vorfall kamen einige nach und nach wieder zurück. Mehr als die Hälfte beschloss jedoch, bis zum Beginn des nächsten Terms daheim zu bleiben. Aber kein Problem ohne Lösung, in Papua-Neuguinea heisst die Lösung in solchen Fällen Reconciliation, Wiederversöhnung.
Es gab Treffen des Boards of Management, ein Termin und der Ablauf wurden festgelegt. An einem Donnerstag, dreieinhalb Wochen nach dem Zwischenfall, war es dann soweit. Natürlich findet bei einem solchen Ereignis keine Schule statt. Der Morgen wurde verwendet alles vorzubereiten, ich saß in meinem Haus als ein Schüler kam: "Hetmasta i singautim yu!", Bernhard rufte nach mir, also gings los. Alle trafen sich unter dem Haus mit den zwei Klassenzimmern, unser Pater Justin erklärte uns den Ablauf, ein kleiner Gottesdienst folgte, Ansprachen wurden gehalten, Entschuldigungen und Verständnis ausgesprochen, Bernard und Moses reichten sich die Hände, die sogleich in einem Kübel mit Weihwasser verschwanden. Klatschen, und der offizielle Teil war beendet. Doch Schluss war noch lange nicht, wenn schon ein Grund zum Feiern da ist, dann sollte auch anständig gefeiert werden. Und da lag doch noch ein an eine Bambusstange geschnürtes Schwein in der Wiese. Warum?
Compensation ist die Antwort: Wann immer in Papua-Neuguinea etwas Ungutes vorfällt, wird Kompensation gefordert. Ein Huhn wird überfahren, ein Schwein frisst die Süßkartoffeln vom Nachbar, jemand geht fremd, eine Frau wird vergewaltigt, bei Streitereien wird einer verletzt oder umgebracht, alles ein Fall für Compensations.
Hier ein keines Beispiel: Makobe, ein Bekannter von Alex und inzwischen auch von mir, seines Zeichens Bootsbesitzer und Skipper zwischen Bougainville und den Salomonen, hatte mit seinem Boot einen Unfall, bei dem ein junger Mann ums Leben kam. Die von ihm zu zahlende Compensation machte 35.000 Kina (8.500 Euro), zehn Schweine und zehn Kesa (wertvolles salomonisches Muschelgeld) aus. Ein schöner Batzen Geld und Tier, nicht nur für einen Bougainvillean.
Doch wieder zurück zum Schwein in unserer Wiese. Während ich versuchte auf Tok Pisin den vielen Fragen der Leute zu antworten wurde von überall her Essen getragen und unter den Klassenzimmern aufgebaut. Wieder traf sich alles an diesem schattigen Platz, es wurden abermals Reden geschwungen, Bernard bekam das Schwein, einen großen Haufen Essen und ein Kuvert. Noch einmal wurden die Hände gschüttelt und somit war alles wieder im Guten, dem Gang zu Reis, Kaukau, Hühnchen, Kumu und anderem Gemüse stand nichts mehr im Wege.
Am Ende des Tages war ich mir sicher, dass der Schulbetrieb nun so richtig losgehen würde, doch die nächsten Ferien folgten bald, denn Joseph Kabui, der Präsident der Autonomen Region Bougainville, hatte keine Lust mehr auf seine Medizin und starb an einem Herzinfarkt...

Pater Justin

Pater Justin Ratsi spielt auf dem Keyboard, singt und hält den Gottesdienst

Schwein im Gras

das Schwein für Bernard

Essen

leckeres kaikai (Essen) wird herangetragen

Compensation

auch die Compensation für Bernard wird unters Haus getragen

Shakehand und gut

ein Händeschütteln und die zwei sind wieder im Reinen...

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