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Zentralbougainvill'sche Odyssee
Die folgenden Tage versprechen interessant zu werden. Dete bittet mich, ihm bei einem Filmprojekt behilflich zu sein. Es geht ab in die Berge, nach Marai. Dort soll's kühl sein und ein Selfmade-Wasserkraftwerk sorgt scheinbar für 24 Stunden Strom, und das täglich. Weil ich Samstagnachmittag abgeholt werden sollte, bereite ich alles für meine Reise vor. Der Kühlschrank hat genug Kerosin getankt, die Fenster sind geschlossen, Rucksack, Computer, Kamera, warme Kleidung und ein Kanister Benzin für Detes Generator (so genau ist das mit den 24 Stunden Strom wohl nicht) stehen bereit. Aus Nachmittag wird Abend, um neun Uhr beschließe ich, doch noch etwas zu essen. Dete ist nicht erreichbar, weil Marai nur sporadisch von den Digicel-Strahlen gestreift wird. Ich versuch's mit SMS und bekomme auch bald eine Antwort. Wir versuchen beide herauszufinden wies mit meinem Transport nun aussieht, bis sich Digicel auf einmal weigert, weiters SMS durch den Äther zu schicken. Kurz vor Mitternacht vermute ich, dass es heute wohl nichts mehr wird mit meiner Fahrt nach Marai. Am nächsten Morgen gelingt es mir wieder Kontakt zu Dete aufzubauen, er verspricht mir ein Auto zu finden, das mich abholen kommt. Kurze Zeit später kommt die Information, dass er und Auto auf dem Weg nach Koromira sind. Wunderbar, also nur noch warten. Nach ein paar Stunden klopft's an meiner Türe, und siehe da, Dete ist's. Aber ohne Auto. Ich erfahre, dass es wahrscheinlich noch kommen wird, sicherheitshalber suchen wir fleißig an einer Alternative. Leider erfolglos. So beschließen wir, zumindest in die richtige Richtung zu kommen. Der Kanister kommt in einen Rucksack, der mit der warmen Kleidung umwickelte Laptop, die Kamera und das Stativ in einen anderen und los geht's. Irgendein Auto wird sich schon finden, das uns bis zur ca. 15 km entfernten Kreuzung mitnimmt. Den restlichen Weg können wir in zwei bis drei Stunden leicht zu Fuß gehen. Aber alles kommt anders. Vor der Schule entdeckt Dete das Auto, das ihn fast bis nach Koromira gebracht hat. Wir gehen hin und machen uns ein Bild, welches ein eher düsteres Gemälde wird. An den vier Rädern und den zwei Türen kann man wirklich erkennen, dass es ein Auto ist, das war's dann aber schon. Eine Türe kann man sogar öffnen, aber dass sie das während der Fahrt nicht ständig von alleine macht, muss man sie vor Reiseantritt festbinden. Der Einstieg auf der anderen Seite erfolgt durch das Fenster. Weiters muss bemerkt werden, dass das Auto keine funktionierenden Bremsen besitzt, abgesehen von der Motorbremse. Dafür haben wir vier Fahrer, die aber auch nicht viel taugen. Wahrscheinlich haben sie Dete falsch verstanden, denn mit seinem Geld haben sie erstmal sich selber betankt, und dann, von dem was noch übrig war, das Auto. Ergebnis von dem Allem ist: wir haben vier besoffene Fahrer und einen leeren Tank. Also erstmal Sprit organisieren und aufpassen, dass der junge Mann, der sich als Fahrer vorgestellt hat, nicht noch weiter zur Flasche greift. Gut eine Stunde später geht's los. Das Auto wird die Schotterpiste rauf und runter geschoben, bis es schlussendlich anspringt. Uns wird ein Platz auf der Ladefläche zugewiesen und wie ich aufspringen will muss ich sehen, dass mein fast schon wieder nüchterner Fahrer nur die Rolle des Copiloten eingenommen hat. Ich erkläre dem Lenker, dass ich nicht von einem Besoffenen chauffiert werden will und, dass er zweifelsohne besoffen sei. Nur ein bisschen, so seine Antwort. Wir diskutieren noch eine Weile, schlussendlich wechseln die beiden Piloten die Plätze. Nun geht's wirklich los, und der Fahrer macht seinen Job gut. Wir kommen weder von der Straße ab, noch rasen wir in unkontrollierbarer Geschwindigkeit die Hügel hinunter. Dummerweise hat zwischenzeitlich starker Regen eingesetzt und wir beiden Bleichgesichter sind nass bis auf die Unterhosen. An der Kreuzung nach Marai halten wir kurz an weil unser besoffener Beifahrer langsam Entzugserscheinungen bekommt. Er kauft eine Cola, nimmt im Vorbeigehen einen kräftigen Schluck Homebrew aus der Flasche irgendwelcher Trinker-Kollegen, öffnet die Türe, schiebt den Fahrer zur Seite und tritt auf Gas. Naja, wird schon gut gehen, denken wir uns. Es geht auch gut, und vor allem schnell. So schnell, dass ich jetzt noch Kopfschmerzen bekomme wenn ich nur daran denke. Um dem Herumgegröle meines Nachbarn ein Ende zu bereiten gebe ich ihm die Aufgabe aufzupassen, dass die kleine Bougainville-Flagge am Kühler nicht davonfliegt. Er verspricht mir sofort Bericht zu erstatten, sollte dies passieren. Dete und ich versuchen unsere Augen soweit zu öffnen, dass wir trotz der Mischung aus starkem Regen und stürmischem Fahrtwind noch den peitschenden Ästen ausweichen können. Endlich kommt die Missionsstation in Marai in Sichtweite, wir glauben schon, das Abenteuer überlebt zu haben. Unser Fahrer, der am Straßenrand wohl eine Erscheinung gesehen hat, nimmt die letzte Kurve besonders scharf, was zur Folge hat, dass das Auto starke Schlagseite bekommt und die halbe Mannschaft auf der Ladefläche über Bord zu gehen droht. Im letzten Moment fangen sich die Männer noch und wir kommen zum Stehen. Glücklich, noch am Leben zu sein und böse auf den besoffenen Fahrer versuchen wir eiligst ein Fleckchen festen Boden unter die zitternden Beine zu bekommen. Der Fahrer muss sich von uns noch ein paar Standpauken anhören, denn solche Sachen macht man auch hier in Bougainville nicht. Die folgenden Tage entschädigen die unglückliche Anreise, wir genießen unsere Arbeit in den kühlen Bergen und nutzen die 24 Stunden Elektrizität um fleißig an unserem Filmchen zu arbeiten. Nichtsdestotrotz ist Marai ein sehr empfehlenswerter Flecken auf unserer schönen Südseeinsel, man achte nur darauf, für die Anreise nüchterne Fahrer in Autos mit Bremsen zu wählen.
Marai, in den Bergen von Bougainville
Pat Howley, DER Trainer für "Mediation and Restorative Justice"
Alfred, unser heldenhafte Erzähler, bei den Aufnahmen
zwischen den Drehs
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